Zur Ausstellung und den Werken von Bertram Castell
Ausstellungszeitraum: 03.11.22 – 24.11.22
Künstler: Bertram Castell
Kulinarik: Köchelei
Charity: Sina – Unterstützung einer Jugendlichen mit schwerer körperlicher Behinderung
Fotos Soiree & Finissage: marygoodfoto
Fotos Matinee & Besuchertag: Renè Fadinger
Mit den Worten „OHNE MALEN BIN ICH NICHT“ bringt der Künstler sein Dasein auf den Punkt. Er arbeitet – wie er selbst sagt – parallel zur Natur. Sie ist ihm ewige Inspirationsquelle, während die Umsetzung in Rhythmik durch seinen dynamischen Duktus im Atelier erfolgt. Der künstlerische Prozess geschieht dabei nicht aus dem Intellekt, sondern entsteht aus der synästhetischen Übersetzung der beobachteten Naturereignisse. Er bildet die Natur demnach nicht ab, sondern gibt ihre wahrgenommenen Abläufe wieder. Es ist „die Musik des Waldes“ – wie er es nennt – das Rauschen der Blätter unterbrochen vom Knacken der Äste sowie die Farb- und Formspiele im Wechsel des Lichts der Tages- und Jahreszeiten. Es ist die Lebendigkeit der Natur, ihre fortwährende Veränderung, ihre Schwingung, das Flimmern der Farben bis hin zur Vibration der Luft, die der Künstler feinsinnig erspürt, mit weisem Blick erkennt und in seinen Arbeiten übermittelt. Seine Gemälde und Zeichnungen beinhalten die Gesamtheit der Natur, wie ein Fraktal, bei dem das kleinste Teilchen immer das Ganze widerspiegelt.
In Bertram Castells impulsiv-expressiven Werken werden diese Eindrücke als sich wiederholende Kürzel erkennbar, die eine – fast akustisch wahrnehmbare – Rhythmik ergeben. Peter Baum spricht von der „Partitur Landschaft“ in seinem Text über Castells Tuschezeichnungen. Sein Strich ist losgelöst vom Denken und er lässt seiner Gestik während des Malens oder Zeichnens die Freiheit sich selbst auszudrücken – befreit vom Wollen – ein Zulassen im Vertrauen. Dabei arbeitet er bevorzugt mit Acrylfarben, da ihm der Trocknungsprozess der Ölfarbe zu langsam ist und seine spontane Herangehensweise verhindern würde. Es ist für ihn auch immer wieder ein Kampf mit der Materie – wie er betont – da jedes Papier und jede Leinwand auf den Kontakt mit Farbe und Pinsel anders reagiert. In seinen Schwarz-Weiß-Arbeiten verwendet er chinesische Tusche, wobei er für den Farbauftrag der Tuschezeichnungen meist eine Bussard Feder nimmt. Er zeichnet nicht wie üblicherweise mit dem Federkiel, sondern mit der Federfahne und weiß mit deren Unregelmäßigkeiten und den daraus entstehenden Zufälligkeiten umzugehen.
Kunsthistorisch gesehen ist Castells Werk der Stilrichtung des Informel zuzuordnen, da keine Form abgebildet wird und der künstlerische Prozess keinen Regeln, sondern spontan dem eigenen Impuls folgt. Bertram Castell ist als Künstler jedoch konsequent seinen eigenen Weg gegangen, ohne auf modische Tendenzen des Kunstmarktes zu achten. Er sagt selbst: „Man kann nur das machen, was man in sich hat.“ Sein künstlerisches Œuvre reicht von Zeichnungen über Gemälde bis hin zu dreidimensionalen Objekten. Dabei arbeitet er auf verschiedensten Malgründen wie Karton, Presspanplatten und Holz, in das er teilweise mit der Motorsäge Gravuren hineinsägt. Gefundene Materialien aus dem Wald, wie Äste und Zweige setzt er zu raffinierten Assemblagen zusammen.
Der Fokus dieser Ausstellung liegt vorwiegend auf Bertram Castells Gemälden und Zeichnungen der vergangenen drei Jahre. Im ersten Raum der Galerie vermitteln die Gemälde der blauen Stunde das Flimmern und Vibrieren des Lichtes in der Dämmerung. Die großformatigen Bilder geben die Möglichkeit, in die feinstoffliche Wahrnehmung des Künstlers einzutauchen. Der zweite Raum ist in verschiedene Farbsegmente geteilt, damit sich das Auge ungestört auf die jeweilige kräftige Farbwelt einlassen kann. Die schwarz-weißen Tuschearbeiten werden in den unteren Räumlichkeiten präsentiert. Die neuesten Werke von Bertram Castell strahlen eine ungeheure Vitalität aus und sind noch befreiter und großzügiger in Strich und Gestus.
Biografie
Bertram Castell wurde am 12. Juli 1932 in Berlin geboren und stammt aus dem fränkischen Adelsgeschlecht der Castell-Rüdenhausen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sah er als Jugendlicher in den großen Ausstellungen im Haus der Kunst in München erstmals expressionistische und abstrakte Malerei. Bereits damals entstand sein Wunsch, Maler zu werden. Vorerst absolvierte er eine Holzbildhauerlehre und übersiedelte 1963 nach Wien, wo er an der Akademie der bildenden Künste bei Herbert Boeckl und Fritz Wotruba studierte, die beide zu den wichtigsten Vertretern der österreichischen Moderne gehören. Im Anschluss an die Akademiezeit begann Castells rege Ausstellungstätigkeit. Er wurde Mitglied im Kunstverein Linz, Salzburg und Coburg sowie in der Künstlervereinigung „Der Kreis“ in Wien und im Künstlerzentrum Schloss Parz in Oberösterreich. In ihren legendären Gruppenausstellungen – den Parz-Kontakten stellte die österreichische Avantgarde aus, unter anderen Bruno Gironcoli, Cornelius Kolig, Arnulf Rainer und Hans Staudacher.
Bertram Castell arbeitet künstlerisch lieber zurückgezogen auf dem Land als in seinem Wohnsitz in Wien, da er aus dem Kontakt mit der Natur schöpft. Anfangs war sein Atelier im Mühlviertel, doch seit über 30 Jahren hat er sein Arbeitsrefugium in dem idyllisch gelegenen Wurzeben im niederösterreichischen Waldviertel.
Elisabeth Th. Winkler